Kiel – Auf dem Parlamentarischen Abend von Handwerk Schleswig-Holstein e. V. am Mittwochabend (23. März) dominierte der Ukraine-Krieg die Gespräche. „In erster Linie sind wir erschüttert über das, was dort geschieht – ich hätte nie für möglich gehalten, dass wir in Europa nochmal einen Krieg erleben“, so Präsident Thorsten Freiberg. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine und allen, die aus diesem Kriegsland flüchten. Wir hoffen auf ein baldiges Kriegsende.“ Die wirtschaftlichen Auswirkungen bekommt das Handwerk im Land unmittelbar zu spüren: „Neben den exorbitant gestiegenen Energiepreisen sorgen wir uns insbesondere um die Verfügbarkeit von Baumaterialien, deren Preise nach den enormen Anstiegen in den vergangenen zwei Jahren nochmals enorm zugelegt haben und die Realisierung von kleinen und großen Bauvorhaben gefährden.“
Nach wie vor, so Freiberg weiter, leide das Handwerk unter der Pandemie, indem sich zum Beispiel gerade in der jetzigen Hochphase mit Rekordinfektionszahlen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Quarantäne befänden. „Noch längst nicht überall läuft der Betrieb wie vor Corona“, weiß Freiberg, „viele Gewerke haben auch noch immer mit den finanziellen Auswirkungen zu kämpfen“. Die Folgen des Krieges in der Ukraine täten ihr übriges: „Uns ist zum einen schon heute eine erhebliche Zahl auf Eis gelegter Bauvorhaben bekannt, weil private wie gewerbliche Bauherren die Kosten derzeit nicht kalkulieren können. Zum anderen werden in wirklich zahlreichen Branchen – auch außerhalb des Baus – Investitionsvorhaben mindestens aufgeschoben, weil unsere Unternehmer in der jetzigen Situation unsicher sind, was uns erwartet. Wenn Investitionen heruntergefahren werden, hemmt das die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität des Landes insgesamt.“
Vor allem hinsichtlich explodierender Energiepreise fordert Freiberg ein Eingreifen des Staates und regulierende Maßnahmen, von denen die Verbraucher ebenso profitieren wie die Unternehmen. „Das kann sonst kaum noch einer schultern“, so Freiberg. Die durch den Ukrainekrieg nochmals forcierte Energiewende sei ein richtiger und wichtiger Schritt, „den wir aber mit guter beruflicher Ausbildung weiter voranbringen müssen“. Das Handwerk stelle sich den Herausforderungen und sehe sich jetzt erst recht als „Ermöglicher“. Freiberg: „Es geht darum, das Handwerk zukunftsfit zu machen. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen neben der Energiewende sind immens: Digitalisierung, Technologietransfer und Fachkräftemangel sind zu meistern. Die Innovations- und Leistungsfähigkeit und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe wird künftig viel stärker von der Qualifikation der Betriebsinhaber und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abhängen. Deshalb brauchen wir hohe Investitionen in die Berufliche Bildung im Handwerk.“
Freiberg forderte von den anwesenden Regierungs- und Landtagsmitgliedern erneut „eine mittelstandsfreundliche Politik und den Abbau bürokratischer Hemmnisse“. Ebenso wichtig sei es mit Blick auf den demografischen Wandel, das große Engagement des Handwerks bei der Aus- und Weiterbildung junger Menschen anzuerkennen sowie die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung umfassend sicherzustellen. Zudem benötige das Handwerk passende Rahmenbedingungen, um seine volle Kraft zur Bewältigung der umwelt- und klimapolitischen Herausforderungen sowie der anhaltenden Wohnungsknappheit einbringen zu können. Weiterhin ist das Handwerk auch auf gute Standortbedingungen in Schleswig-Holstein angewiesen, zu denen nicht zuletzt eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur zählt.
Freiberg sagte weiter: „Die Energiewende wird nur gelingen, wenn große Pläne vor Ort Wirklichkeit werden. Denn es sind vor allem Handwerkerinnen und Handwerker, die es braucht, um das umzusetzen, was die Politik auf dem Papier vereinbart hat: Wir machen die Zukunft, sind also im wahrsten Sinne des Wortes Zukunftsmacher.“ Aber schon jetzt gebe es bei vielen Handwerksprojekten lange Wartezeiten, weil es schlicht zu wenig Fachkräfte dafür in den Betrieben gebe. Und schon jetzt sei klar, dass es viel mehr junge Menschen brauche, die sich im Handwerk zu Fachkräften ausbilden lassen, um all die künftigen politischen Vorhaben hin zur Klimawende zu realisieren. Freiberg: „Die Türen unserer Ausbildungsbetriebe stehen weit offen und die Aussicht auf eine steile Karriere im Handwerk ist besser denn je.“
Das Klappern für die 130 beruflichen Ausbildungen dürfe die Politik aber nicht nur dem Handwerk überlassen. Hier müsse dringend lauter für das Handwerk getrommelt werden – besonders auch an Gymnasien. Es liege auf der Hand, sagte Freiberg: „Die Energiewende gibt es nur mit einer Kehrtwende hin zu einer größeren Wertschätzung für die berufliche Ausbildung und dann auch für die berufspraktische Arbeit.“ Bei der Bewertung der Leistungen für die Energiewende dürfe es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben. Nur wenn junge Menschen das Gefühl haben, dass ihre Biografien auch anerkannt und wertgeschätzt werden, sei die berufliche Ausbildung attraktiv. Auch hier sei der Zeitdruck enorm.
„Jeder Jahrgang an Schulabsolventinnen und -absolventen, der sich heute mehrheitlich gegen eine Ausbildung in den zukunftsweisenden Klimabereichen des Handwerks entscheidet, lässt das große Ziel der Energiewende in weitere Ferne rücken“, so Freiberg.